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Gedichte zum Zeitvertreib...


Diese folgenden Gedichte sind überwiegend in Wartezimmern bei Haus- und Fachärzten entstanden. Da ich mich weder für das "Goldene Blatt" noch für die "Frau im Blick" interessiere, tippe ich die Reime in den Notizblock meines Smartphones. Wenigstens geht dann die Wartezeit irgendwie rum...




1. Mit den Gesamtumständen und den Jahreszeiten unzufrieden (bis auf den Herbst):


Frühling

Der Krokus zwängt sich durch raureifes Gras, 

sein Blütenstand wird nun der Hummel zum Fraß.

Es summt in den Gärten und vögelt in Hecken,

aus denen sich Triebe zur Sonne hinstrecken.


Nun flattern die Spatzen und Eichelhäher,

und lauter noch kreischt nur der Rasenmäher.

Die Luft ist geschwängert von Barbecue Soße,

von Grillfleisch und billigem Bier aus der Dose.


Auch die schlechte Musik ist zum Leben erwacht,

aus riesigen Boxen bis tief in die Nacht.

Sie raubt uns den Schlaf dank hämmernder Bässe

und sorgt für Migräne und vornehme Blässe.


Motorräder künden mit schrillem Ton

von Hirnlosigkeit und viel Testosteron.

Das Lüftchen ist lau, heißa - bald schon ist Sommer.

Auweia! Dann kommt auch der Urlaub bei Omma.

 

 

Sommer

Die Luft flimmert träge in gleißendem Licht.

Es spielen die Mücken und beißen Dich. Nicht,

dass die dörrende Hitze alleine Dich quäle

und dass sich die Haut nur vom Sonnenbrand schäle.


Nein, rinnt doch der Schweiß nun durch feucht-warme Falten,

daher dürstet der Körper, anstatt zu erkalten.

Es hämmert und pochen die Schläfen, der Schlund,

es brennen die Augen von Pollen ganz wund.


Es läuft die Nase, es riechen die Füße,

denn Heuschnupfen sendet ab Mai seine Grüße, 

die Dürre entfaltet ihr sengendes Kleid.

Alles in allem: unschöne Zeit.

 


Herbst

Wenn mildes Licht umhüllt die Erden,

die Tage kühl und kürzer werden,

wenn Zugvögel gen Süden streben

(vielleicht ein letztes Mal im Leben),


wenn süß im Baum die Früchte reifen,

nach denen freudig Hände greifen,

wenn alte Menschen mit Entzücken

von hohen Zweigen Äpfel pflücken,


wenn traulich weiße Nebel wallen

und Rentner von den Bäumen fallen,

dann seid gewiss, es heißt fürwahr:

Hurra, der liebe Herbst ist da!



Winter

Zu Eise erstarrt sind Bäche und Teiche,

der Schnee beugt die Wipfel von Tanne und Eiche.

Ein frostiger Wind stiebt Flocken empor,

und entzündet sind Mandeln und Mittelohr.


Auf knisterndem Eis wollen Füße entgleiten,

statt standhaft und tatkräftig auszuschreiten. 

Aarrrrrrrrrrrrghhhhh!!!!!!!!!!!!!!

Vom Schenkelhalsbruch zieht die Pein in die Lenden.

Sag, Winter - willst Du denn nimmermehr enden?

 

 



2. Vorsorge ist wichtig! 


Die Darmspiegelung


Termin beim Arzt. Was soll man sagen.

Er spiegelt heute Darm und Magen. 

Zieht Proben und umschlingt Polypen, 

bestimmt im Endoskop die Typen, 

 

verschickt sie - das kommt öfter vor - 

ins medizinische Labor, 

wo Spezialisten dann bestimmen,

ob man demnächst scheidet von hinnen,

oder ob Ziehen tief im Darm 

zu werten ist als Fehlalarm.

 

Die Untersuchung ist nicht schlimm. 

Viel schlimmer ist der Weg dorthin:

Drei Tage vorher soll verzichten

der Mensch auf Steinobst in Gerichten. 

 

Hinzu kommt Sesam, Mohn und Kerne,

Tomaten auch (isst man sie gerne), 

und tags darauf mit steter Mühe,

winkt Weißbrot nur und klare Brühe. 

 

Dann kommt „Das Pulver“ an die Reihe.

Damit es flott den Darm befreie, 

wird es in Wasser eingerührt, 

was zeitnah zur Entleerung führt. 

 

Der Trunk schmeckt bitter-süß und fruchtig,

ein wenig schleimig, aber wuchtig,

mit Zitrus-Pampelmusen-Note,

dass man in Bälde tüchtig kote,

 

da heißt es „schnell herunterschlucken“, 

ohne erbrechen oder spucken.

Die Luft anhalten hilft dabei,

falls es zu widerwärtig sei.

 

„Den Mund weit auf und rein damit“,

denn kommt der Würgereiz (Igitt!),

mit Atemnot und roten Ohren,

dann ist die Schlacht schon früh verloren.

 

Das ganze dauert eins, zwei Stunden,

es zieht sich über viele Runden,

und bis man die Natur erspürt,

wird reichlich Wasser nachgeführt.

 

Als nächstes fängt der Darm bei jedem 

von innen an, laut mitzureden.

Er gluckert, murmelt, simmeliert,

erhöht den Druck, bis es pressiert,

 

er krampft und bildet feuchtes Gas

(was neulich man beim Hausarzt las),

und nur die Vollkonzentration

verhindert knapp die Explosion.

 

Der Kenner macht sich nun bereit,

denn es wird allerhöchste Zeit,

zu hasten, stolpern oder eilen 

und wo man ist, nicht zu verweilen:

 

„Hinfort, Ihr Lieben, aus dem Weg!

Es ist des Hausherrns Privileg,

dass Frau und Kinder für die Sachen 

des Oberhauptes Platz freimachen,

 

und ehrfürchtig zur Seite treten,

denn jener darf sich nicht verspäten - 

vor allem, wenn er keucht und rennt,

weil hintenrum die Lunte brennt!“.

 

Doch oft bleibt dieses Theorie.

Wer Kinder hat, erlebt das nie.

Die zählen zu den Interessanten,

als Säugling und als Pubertanten:

 

Die Ersteren sind süß und brav, 

sie rauben Nerven und den Schlaf,

sie lachen selten, weinen meist,

wenn‘s ihre Stimmung runterreisst. 

 

Die Letzteren sind viel allein 

und schließen sich oft lange ein,

in Zimmern, Bädern und Toiletten,

weil gern sie ihre Ruhe hätten.

 

Doch nun zurück zum Hauptgeschehen,

wo die Sekunden kaum vergehen,

zu unendlichen Stunden werden,

als sei die Hölle schon auf Erden:

 

Verriegelt sind die Tür und Toren.

Schweiß rinnt in Bächen aus den Poren.

Ach, das ist reichlich ungeschickt,

wenn tief im Darm die Bombe tickt.

 

Jetzt hilft nur Schreien und Befehlen.

„Die Klotür auf!!!“. Man kann nicht wählen,

obgleich zu Söhnen man und Töchtern

ansonsten lieber nett sein möchtern.

 

Jäh öffnet sich mit viel Protest

die Pforte auf zum Schlachtefest,

und mit Gedanken voller Härme 

entkrampfen sich Bauch und Gedärme.

 

Erst kommt ein Beben, dann ein Grollen,

(Fontänen, die nach draußen wollen),

dann braust ein Sturm, wie Donnerhall 

und bricht sich Bahn höchst infernal.

 

Wie ein Vulkan drängt es hervor,

vernehmlich bis ins Mittelohr, 

mit Tuten, Rattern, Zischen, Knallen

- und das in sieben Intervallen.

 

 Zur neuen Heimat wird per se

bis Mitternacht das Haus WC, 

so lange, bis mit schlaffer Kraft 

man kernlos es zu Bette schafft.

 

Der Schlaf greift tief in Zeit und Raum,

halb dehydriert spürt man ihn kaum.

Ein Atemzug nur - aus, vorbei!

Bis morgens gegen fünf vor drei.

 

Da klingelt auch der Wecker schon

und kündigt an mit schrillem Ton,

dass neuer „Saft“ zu trinken lockt,

bis wieder man am Abort hockt.

 

Erneut kommt Pulver in Kanne

mit Wasser (einer halben Wanne), 

und wieder rinnt der Bitterschleim

zähflüssig in den Rachen ein.

 

Noch tritt die Sonne nicht herfür,

noch schlummert sanft das Darmgeschwür

(falls dieses dunkel, warm und trist

denn überhaupt vorhanden ist). 

 

Doch schließlich geht es Schlag auf Schlag: 

die Brühe rein, es wird bald Tag!

Geschluckt, gewürgt und nachgespült,

halb lauwarm oder gut gekühlt,

 

viel Tee dazu wird angeraten 

und weder Wurst noch kalten Braten,

und weder Bier noch starken Wein

- heut muss es auch mal ohne sein.

 

Kein Kaiser-Frühstück! Dafür schon 

vor fünf die Sitzung auf dem Thron.

Und alles, was im Bauch rummacht 

ergießt sich donnernd in den Schacht.

 

Dann hat der größte Teil der Massen

den Körper endgültig verlassen.

Braucht es auch Zeit die halbe Nacht,

am Ende ist es doch vollbracht.

 

Nun geht es los: den Mantel an 

und frische Wäsche angetan,

zur Tür hinaus und Richtung Garten,

der Taxifahrer wird schon warten,

 

und während man das Haus verlässt 

(die Vöglein spotten im Geäst),

macht Unbehagen tief sich breit,

denn nun steht fest: es ist so weit.

 

Doch in der Praxis angekommen,

wird erstmal länger Platz genommen.

Beim Magenspiegeln geht’s voran,

danach sind dann auch solche dran


- und das ist ziemlich ausgebucht -

die man heut untenrum besucht, 

darunter erst Privatpatienten,

dann die mit Zeit und hohen Renten,

 

dann Wahlbeamte mit Diäten 

dann Arbeitslose und Proleten,

dann Priester, Küster, Ministranten,

die „Brennen hinten“ eh schon kannten,

 

und ganz zuletzt, ab zehn nach zehn,

sind die dran, die zur Arbeit gehn,

die eigentlich bei Krupp & Thyssen 

seit Stunden schon malochen müssen,

 

die arbeitsam mit Sorgenfalten

das ganze Land am Laufen halten,

die schuften, Blut und Wasser schwitzen

und dann beim Arzt bis mittags sitzen,

 

weil sie - und das weiß jedes Kind -

nur Kunden dritter Klasse sind,

mit denen man - und da fängt’s an -

nicht wirklich reicher kann.

 

Der Doktor forscht, was man schon kennt,

viel lieber am Privatpatient,

denn dieser scheidet (jetzt kommt‘s raus!)

am Enddarm Golddukaten aus.

 

Der kriegt dank reichlich Vitamine

auch schneller seine Arzttermine.

Dagegen harret langer Frist,

wer BKK versichert ist,

 

denn meistens wollen Krankenkassen 

das Geld für Heilung nicht verprassen,

was häufig führt zu großer Not

und vor dem Arzttermin zum Tod.

 

So heißt es warten, Stund um Stund , 

nur, das macht auch nicht schnell gesund.

Das aber ist man längst gewöhnt,

selbst, wenn der Leib vor Schmerzen stöhnt,

 

und umso mehr durchfährt die Freude

das Herz, als wie die Eingeweide,

als plötzlich man, schon leicht verstört, 

sich endlich aufgerufen hört.

 

Sodann in einem Nebenzimmer,

mit Fliesenwand und Neonschimmer,

wird untenrum, so wie gedacht, 

das welke Elend freigemacht.

 

Gepackt wird nun die ganze Chose

in eine Einwegunterhose,

die hinten - das ist nicht verkehrt -

den Zugriff auf den Darm gewährt.

 

Im Anschluss wird bis auf die Knochen 

die Zugangsnadel eingestochen,

so tief, bis Blut und Lymphe spritzt,

weil die sonst oft zu locker sitzt.

 

Ein Beißring, den man tüchtig spürt,

wird in den Kiefer eingeführt.

Das hindert (was auch meistens klappt),

dass man nach Arzt und Schwestern schnappt,

 

wenn diese zügig und mit Hieben 

den Schlauch forsch in den Kehlkopf schieben,

an dessen Spitze eingeengt 

das Endoskop mit Zange hängt.

 

Doch davon merkt es nichts, das Opfer.

Denn statt mit einem Gummiklopfer,

den man mit Wucht und großem Laut

von hinten auf den Schädel haut,

 

wird heute chemisch voll-sediert.

Wird man danach rektal berührt,

löst dieses weder Schreck, noch Graus,

noch starke Flatulenzen aus.

 

Dann wird es dunkel, warm und still.

Kein Stechen, Zetern, kein Gebrüll.

Nur hier und dort wird von gewissen 

Verdachtstellen was rausgerissen,

 

es wird beleuchtet, untersucht,

dabei gebetet und geflucht,

mit Luft gepumpt und aufgeweitet,

damit der Schlauch noch besser gleitet,

 

es wird gelacht und fies gewitzelt,

mit Antiseptikum gespritzelt,

die Magenschleimhaut abgeschält,

vom Wochenende laut erzählt,

 

die Darmwand dreifach perforiert,

weil‘s der Patient ja doch nicht spürt,

zu guter letzt der Schlauch gezogen,

mit Schwung, von unten bis ganz oben,

 

dann geht es in den Aufwachraum 

(auch das merkt man am Ende kaum),

quer durch den Flur in der Parterre,

mit Zugang noch und Kiefersperre,

 

in schicker Einwegunterhose

und Stützstrumpf gegen Beinthrombose,

was ganz genauso, wie es klingt,

das halbe Haus zum Lachen bringt.

 

Aus Dämmerschlaf ist man erwacht.

Die Schlummerspritze hat‘s gemacht.

Die Welt wirkt rosig, sie wirkt leicht, 

auch Heiterkeit ist nun erreicht -

 

denn ähnlich sanft, wie Alkohol 

wirkt auf die Stimmung Propofol.

Doch mancher ist aus solcher Nacht 

am Ende nicht mehr aufgewacht.

 

Ein Michael Jackson beispielsweise 

ging damit auf die letzte Reise

und ist, man hat es jüngst vernommen,

bis Dato nicht zurückgekommen.

 

Ein wenig Ruhe sorgt im Liegen 

die Herrschaft voll zurückzukriegen.

Und nur das Blutdruckmessgerät,

das stetig die Manschette bläht,

 

bis schmerzhaft es den Bizeps presst,

und zischend dann die Luft entlässt,

 misst nebenan den Adipösen,

(denn der scheint immer noch zu dösen 

und lässt ein schwaches Herz vermuten),

so etwa alle drei Minuten.

 

 

Das Auge brennt, das Licht wird heller, 

selbst der Verstand kommt aus dem Keller -

was wundert, denn es ist nicht klar,

ob vorher er vorhanden war.

 

Der Kehlkopf kratzt, der Darm ist wund.

„Ach. Negativ ist der Befund?

Trotz seitenlanger,  falscher Prosa

nichts mit Colitis ulcerosa?

 

Kein Ulkus? Auch kein Hämatom?“.

„Nein, nichts davon. Das war’s auch schon.

Nur tief am Steiß ersprießt ein Pickel.

Im Dickdarm schlummern Divertikel,

 

 

ansonsten ist der Herr gesund“,

tut noch der Arzt der Schwester kund.

„Sie können jetzt nachhause fahren,

das nächste Mal dann in drei Jahren“.

 

„Ja, gut.“ Die Hose hochgezogen,

den morschen Rücken durchgebogen,

geht es in leichtem Taumelgang

den neohellen Gang entlang.

 

Halb tastend fühlt die rechte Hand

den Weg hinaus zum Taxistand,

weil nach Sedierung oft geschieht,

dass schlecht man, wie ein Maulwurf sieht. 

 

Dem Taxifahrer schwant schon böses. 

Er kennt bereits, wenn infektiöses

den Körper ohne Halt verlässt 

und Polster ihm und Sitz durchnässt.

 

Doch seine Angst ist unbegründet!

Die Bombe ist bereits gezündet,

und alles, was jetzt leise pufft,

ist allenfalls noch heiße Luft.

 

„Zur Schloßallee, Hausnummer vier.

Und bitte dicht bis vor die Tür“.

Dann fährt er los, fast ist es Rasen.

Im Fond erhöhen sich die Gasen,

 

die schwach nach Lösungsmittel duften.

Nach Propofol und Klinikluften,

nach Endoskop und Arzenei.

Doch Gottseidank: es ist vorbei.

 

Erleichtert richtet sich der Blick

auf eine Prozedur zurück,

die leidvoll, aber wichtig ist,

und man am besten gleich vergisst.

 

Und deshalb hier noch ein Appell:

An Darmkrebs, Freunde, stirbt man schnell,

dann hilft kein Jammern und kein Fluchen.

Drum lasst auch euren Darm besuchen!