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Der Treysaer Hexenturm


Dieser Turm der ehemaligen Treysaer Stadtbefestigung ist der einzige noch  beinahe vollständig erhaltene Wachturm des früheren, unteren Stadtmauerrings.   Ursprünglich waren in der unteren Altstadt drei Rundtürme vorhanden, von denen   jedoch drei die Jahrhunderte nicht überdauert haben. Erbaut wurde der   Hexenturm vermutlich im 14. Jahrhundert, möglicherweise im Zusammenhang mit dem ersten Bauabschnitt der unteren Stadtmauer. Dendrochronologische   Untersuchungen deuten auf eine noch frühere Bauzeit im 13. Jahrhundert hin.

Aufgabe des Hexenturms war es, den Schwalm-Übergang an der ehemaligen   Steinbrücke und das am Turm befindliche Stadttor zu sichern. Erforderlich wurde   dies unter anderem auch durch die Lage der Stadt an alten Fernhandelsstraßen   wie der „Langen Hessen“. Insbesondere das morastige Sumpfland im   Einmündungsbereich der Wiera in die Schwalm begünstigte an dieser Stelle die   strategische Sicherungs- und Verteidigungsposition.  




Der für die Zeit um 1544 bekannte Name „Der stumpfe Turm“ bezeichnet   vermutlich nicht den Hexenturm, sondern ein anderes, damals in der Nähe   befindliches und heute nicht mehr existentes Bauwerk. Im Gegensatz zu etwa 2/3 der Treysaer Häuser und Gebäude überstand der Turm den  30jährigen Krieg mit vergleichsweise mäßigem Schaden, wie zum Beispiel 24 Einschüsse   von Musketenkugeln unterschiedlichem Kalibers und Spuren grober Gewalt in der oberen   Tür zum Wachraum. Vier der obengenannten Kugeln durchschlugen sogar das 5 cm dicke   Türblatt aus Eichenholz (siehe Bild rechts).   

Vermutlich auch bis zu diesem Zeitpunkt verfügte der Turm über ein schiefergedecktes   Kegeldach mit vier zusätzlichen Erkertürmchen (siehe Bild). Diese Konstruktion fiel   offensichtlich einem Brand zum Opfer. Das danach errichtete erkerlose Kegeldach   existierte noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie alte Stadtansichten   zeigen. Das Dach und Teile der Zinnen wurde schließlich wegen fortschreitender     Verwitterung und der damit einhergehenden Gefährdung der Bevölkerung durch   herabfallende Mauersteine abgerissen.  

 


 Seine heutige Größe beträgt 14,76 Meter bei einem Umfang von 17,75 Metern. Die   Wandstärke in der oberen Verteidigungskanzel beträgt 58 cm, im tiefer liegenden   Wachraum 140 cm und im darunter befindlichen Verlies 180 cm. Im Fußboden des   Wachraums befindet sich das sogenannte „Angstloch“, eine etwa 45 cm große Öffnung,   durch die Gefangene mit einer Winde in das im Fuß des Turms liegende Gefängnisverlies   herabgelassen wurden. Erst nach dem 30jährigen Krieg erfolgte der Einbau der äußeren   Eingangstür zum Verlies, zuvor war der Zugang nur über das Angstloch möglich.  

Eine schmale vergitterte Öffnung 6 Meter über den Verliesboden sorgte für mäßige   Belüftung, allerdings reichte sie nicht aus, um Tageslicht in den Raum fallen zu lassen. Der   damals wahrscheinlich strohbedeckte Boden verfügt über ein leichtes Gefälle, ggf. um das   Ablaufen der Notdurft zu erleichtern, da ein Abort nicht vorgesehen war.  

Wenn sich auch die meisten Gefangenen nicht allzu lange darin befunden haben: der   eigentliche Aufenthalt dürfte in dem dunklen, feuchten und kalten Raum äußerst   unkomfortabel gewesen sein.  

(Quelle des Abschnitts “Der Treysaer Hexenturm”: Bernd Raubert „Der Hexenturm als Teil   der mittelalterlichen Stadtbefestigung Treysas in „Neue Forschungen zur Stadtgeschichte“,   Band 1, Hrsg. Stadtgeschichtlicher Arbeitskreis e.V., Schwalmstadt 1995)  

Bild: historische Ansicht des Hexenturms in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild. Copyright: Bernd Raubert  Koordinaten    50° 54’ 57” N    9° 11’ 5” E 

              

 



 Hexentürme (...und türmende Hexen)   

 Allgemein sind Hexentürme in Deutschland relativ weit verbreitet. Ob sie allerdings tatsächlich alle der   Hexenverfolgung dienten, darf bezweifelt werden. Genutzt wurden sie grundsätzlich zur vorübergehenden Inhaftierung   „herkömmlicher Krimineller“ oder waren einfach nur Wach- und Wehrtürme. Wikipedia weist darauf hin, dass solchen   martialisch anmutenden Bauwerken in der Zeit der Romantik (18. und 19. Jahrhundert) gelegentlich das Etikett des   Hexenverlieses angedichtet bekamen, was aber offensichtlich mehr im Zusammenhang zum epochalen Zeitgeist als   der Realität stand. Hinsichtlich des Treysaer Hexenturms ist in der Literatur nachzulesen:    


“Oft reichte ein singuläres oder in späteren Jahren erdichtetes Ereignis, um im Volksmund Namen festzulegen. So wird   im benachbarten niederhessischen Treysa noch heute vom alten Wachturm als Hexenturm gesprochen. Damit werden   Hexenverfolgungen im Ort suggeriert, obwohl lediglich eine Hexe zu Beginn des 17. Jahrhunderts dort inhaftiert war   und die Stadt ansonsten von Hexenverfolgungen verschont blieb.” (Christian Roos  „Hexenverfolgung und   Hexenprozesse im alten Hessen“, Seite 233, Fußnote 893, Tectum Verlag, Marburg 2008)   




Hexenprozesse im Umfeld der Schwalm   

Neben der zeitlichen Konzentration der Verfolgungswellen auf das   16. und 17. Jahrhundert lässt sich auch eine regionale Häufung von   Hexenprozessen feststellen, die u.a. in Zusammenhang zur   territorialen Zugehörigkeit und der Rechtsauffassung der jeweiligen   Landesfürsten stand. So sind in dieser Zeit für den Bereich   Oberhessen zahlreiche Hexenprozesse dokumentiert, als Beispiel   seien hier Marburg, Betziesdorf oder Kirchhain genannt.   

In Niederhessen sind allem voran Fritzlar und Wildungen zu nennen,   die mit namhaften Opferzahlen aufwarten. In diesen Orten darf zu   Recht von Hexenwahn und massiver Verfolgung gesprochen   werden. Verschiedene Autoren weisen darauf hin, dass die Wellen   der Hexenverfolgung des 16.

Bild:  Stadtansicht Treysa von Matthäus Merian (1655). Copyright: gemeinfrei

und 17. Jahrhunderts zuweilen in  Zusammenhang zu anderweitigen, tiefgreifenden gesellschaftlichen   Umbrüchen und katastrophalen Ereignissen standen, wie beispielsweise Seuchen, Missernten oder den Auswüchsen   des 30jährigen Krieges.    


Derartige Rahmenbedingungen waren geeignet, eine umfassende gegenseitige Missgunst der Menschen   herbeizuführen, so dass viele Hexenprozesse durch Denunzierungen der Bevölkerung – unter anderem von Frauen   untereinander oder auch von Kindern gegenüber Erwachsenen - zustande kamen. Ursächlich war aber auch ein tief in   der Gesellschaft verwurzelter Hexen- und Aberglaube und nicht zuletzt die damals in weiten Teilen der Bevölkerung   vorherrschende Mentalität (vgl. u.a. Christian Roos, Seite 256f).   


Entgegen der landläufigen Meinung, die Hexenprozesse der vergangenen  Jahrhunderte seien alleine ein Krieg der Kirche gegen die weibliche   Bevölkerung gewesen, stellt sich daher bei genauerer Betrachtung der   Sachlage anders dar. Auch die Annahme, Frauen seien zu Millionen angeklagt,   gefoltert und hingerichtet worden, bestätigt sich so nicht (vgl. Christian Roos,   Seite 32ff). Für den Bereich des heutigen Hessens geht man von deutlich weniger als   2000 Opfern aus, der Anteil männlicher Verfolgter variierte dabei je nach   geografischen Gebiet zwischen 8 und 33%.   Besonders in Fritzlar und Wildungen  endeten viele Prozesse mit                      

Hinrichtungen, allerdings gab es auch glückliche   Ausnahmen. Am 16.2.1631 befreite sich die wegen des Vorwurfs der Hexerei in Haft befindliche Margarethe Rohden   von ihren Fesseln und seilte sich mit Tüchern aus einem Fenster des Wildunger Rathauses ab. Sie floh nach Treysa,   über ihren weiteren Verbleib ist nichts bekannt.

Bild rechts:  Stefan Hamer (1533). Copyright: gemeinfrei  

 

Auch aus Neustadt sind Hexenverfolgungen bekannt. So wird um das Jahr 1600 Elisabeth Kulsch beschuldigt, eine   Hexe zu sein. In einer bemerkenswerten Denunzierungskampagne wird ihr vorgeworfen, das Vieh krankgehext zu   haben (zuvor grassierte eine katastrophale Viehseuche). Ein Bürger namens Völker hetzt beinahe die gesamte   Neustädter Einwohnerschaft gegen sie auf und bringt im Anklageprozess 17 Belastungszeugen in Stellung.    

 

Elisabeth Kulsch wird der Wasserprobe  unterworfen. Der Grenzebacher Pfarrer macht sich derweil große Sorgen,   dass seine Ehefrau ebenfalls eine Hexe sein könnte, da es sich bei Elisabeth Kulsch um seine Schwägerin handelt.   Kurz darauf gerät auch die Tochter der Verdächtigen in das Visier des Schultheißen und der Bürgerschaft. An beiden   wird die „hochnotpeinliche Befragung“ durchgeführt. Unter den Qualen der Folter gestehen sie, Hexen zu sein, kurz   darauf werden sie hingerichtet.   


1604 wird die Ehefrau des Heinz Koch unter dem Verdacht, eine Hexe zu sein, in   Neustadt verhaftet. Der Ausgang des Prozesses ist unbekannt, in seinem Verlauf   tauchen jedoch zitierte Aussagen einer „Albertin“ auf, die dort kurz zuvor hingerichtet   worden sei (Quelle der v.g. Fälle: Karl Heinz Spielmann: „Hexenprozesse in   Kurhessen“, Seite 174f, Elwert Verlag Marburg 1932).   

In der Schwalm als Territorium der früheren Landgrafschaft Hessen-Kassel blieben   dagegen Hexen- und Zaubereiprozesse Ausnahmen. So weisen die historischen Akten   des Staatsarchivs Marburg/Lahn insgesamt 135 Hexen- und Zaubereiprozesse für   Oberhessen und angrenzende Gebiete aus, von denen nur zwei in Treysa bzw.   Ziegenhain durchgeführt wurden (vgl. Dorothee Hoff „Kriminalität und Strafgerichtsbarkeit in der frühen Neuzeit am   Beispiel des hessischen ‚Peinlichen Gerichts‘ in Ziegenhain anhand von Kriminalfällen aus Treysa und Ziegenhain“ in   Stadtgeschichtlicher Arbeitskreis e.V. [Hrsg.] „Neue Forschungen zur Stadtgeschichte“, Band 1, Seite 122,   Schwalmstadt 1995).   


Im Zusammenhang zum Treysaer Hexenturm ist nachzulesen, dass im Jahre 1609 darin eine der Hexerei angeklagte   Frau gefangen gehalten worden sein soll (vgl. Karl Zulauf „1200 Jahre Treysa“, Seite 67, Magistrat der Stadt   Schwalmstadt [Hrsg.], Schwalmstadt 1986). Ob diese Inhaftierung in Beziehung zu der etwa zum gleichen Zeitpunkt   einsetzenden letzten Pestepidemie dieser Gegend steht, ist unklar. Betrachtet man jedoch die hohe Zahl der Treysaer   Seuchenopfer (569 Tote in den Jahren 1610 und 1611) und berücksichtigt dann die Erfahrungen, die die Stadt und ihre   Einwohner mit früheren Pestwellen gemacht haben (1567/68: 542 Tote, 1584: 528 Tote), dürfte das soziale Klima der   Stadt zumindest erheblich belastet gewesen sein.    


Leider ist nicht bekannt, ob es zu einer Verurteilung und ggf. Hinrichtung dieser angeklagten Frau kam. 

Ggfs. muss aber auch davon ausgegangen, dass es sich   hierbei um Katharina Schrempff (s.u.) handelt, insofern wäre die Jahresangabe   „1609“ im Bezug zu der Inhaftierung im Hexenturm nicht korrekt. Grundsätzlich ist die   Geschichte der Kriminalfälle im 16. und 17. Jahrhundert für den Bereich Treysa und   Ziegenhain sehr ausführlich erforscht. Im Zusammenhang zur Hexenverfolgung ist   für den Sommer 1610 ein Prozess gegen Katharina Schrempff aus Treysa bekannt,   die wegen des „Siebdrehens“ der Hexen- und Zauberkunst angeklagt wird.   


Der Ankläger fordert für sie die Todesstrafe durch Verbrennung und droht ihr für den   Fall der Geständnisverweigerung Folter an, dennoch kann sie mit ihrem Verteidiger   aufgrund ihres guten Leumundes in der Stadt und wegen ihres körperlich schlechten   Zustandes eine Entlassung aus der Haft auf Kaution erwirken.   

Bild rechts:  Dipold Schilling (1513). Copyright: gemeinfrei


Im weiteren Verhandlungsverlauf bestreitet Katharina Schrempff nicht, das Sieb auf   Wunsch zweier Treysaer Bürger gedreht zu haben, allerdings habe sie selbst nicht   an die übernatürliche Wirkung dieser Prozedur geglaubt. Die Verteidigung weist im   Weiteren darauf hin, dass niemandem ein Schaden entstanden sei. Tatsächlich kann   Katharina Schrempff ihren Freispruch erreichen (Quelle: Dorothee Hoff, Seite 100f,  Schwalmstadt 1995).   


Schon im darauf folgenden Jahr kommt es jedoch zu einer neuen Anklage wegen Wahrsagerei. Vor dem Ziegenhainer   Gericht steht diesmal Hans Bernhardt aus Geisa bei Eisenach. Die rekonstruierbare Aktenlage lässt die Vermutung zu,   dass Bernhardt zum Tode verurteilt wurde. Ob und wo er hingerichtet wurde, ist jedoch nicht bekannt.1617 wird schließlich Johann Becker aus Ziegenhain vorgeworfen, sich mit dem Satan eingelassen zu haben. Hier   genügte dem Gericht jedoch eine Einmahnung des Beschuldigten (vgl. Dorothee Hoff Seite 102f).   


Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass der Glaube an Wahrsagerei, Zauberei und Hexerei in der Schwalm und ihren   Randgebieten tief verwurzelt war. So sollte sich beispielsweise  auf dem Bechtelsberg bei Ottrau auf der   „Rumpelskuppe“ eine kesselförmige Vertiefung befinden, die „Hexenkaute“ genannt. Dort fände in der Nacht zum 1. Mai (Walpurgisnacht) der Hexentanz statt (vgl. Spielmann, Seite 46). Die heutige Presse führt den Bechtelsberg  als  „Hessischen Blocksberg“ gerne in ihrer Unterhaltungsbibliothek auf.   


Die Menschen der Schwalm waren im Weiteren auch angehalten, Dinge zu vermeiden, die Hexen Macht über sie gäben. Dazu gehörten Bräuche, die heute recht merkwürdig erscheinen. Beispielsweise sollte nach der Geburt eines   Kindes nichts aus dem elterlichen Besitz verliehen werden. Dieser Zustand war bis zum ersten Kirchgang der   Kindsmutter etwa sechs Wochen nach der Niederkunft aufrechtzuerhalten.  Möglicherweise steht hinter diesem Brauch   die Annahme, eine Hexe könne über persönliche Dinge negativen Einfluss auf den Besitzer oder das noch ungetaufte   Neugeborene erlangen (vgl. Spielmann Seite 50).   

 

Wie schnell eine schwangere Frau bzw. ihr neugeborenes Kind in Verbindung zu Magie und übernatürlichen Mächten   gebracht werden konnte, zeigt der Fall der Familie des Friedrich Kloß aus Ziegenhain. Dessen Frau gebar 1657 einen   Sohn, doch nach der Geburt sei ihr „etwas abgegangen, das den Kopf einer Katze gehabt habe“. Der Ehemann habe   auch von „Federn, Hühnern und Ripplein“ berichtet, zudem solle sich noch etwas in ihrem Leib befunden haben.   

 

Die eingeleiteten Ermittlungen ergaben, dass die Kindsmutter 33 Wochen an einer Krankheit gelitten habe, die sie sich   beim Baden in Hans Buders Haus zuzog. In ihrer Not habe sie sich an den „weißen Mann von Ehlersdorf“ (Ebersdorf, heute zu Frielendorf gehörend)  gewandt, der ihr einen Trunk bereitete, welcher jedoch nur dann seine Wirkung täte, wenn sie die Einnahme geheim   halte. Der Erfolg unterdes blieb aus. Die Kindsmutter erhob jedoch keine Anschuldigungen gegen den „weißen Mann“,   sondern betrachtet die offensichtliche medizinische Besonderheit der Geburt als Fügung Gottes, so dass eine Anklage   des Hexers nicht bekannt wurde (vgl. Spielmann, Seite 112).   

 

Obwohl es abschließend nicht gesichert ist, ob es in der Schwalm tatsächlich eine Hinrichtung gab, die aufgrund einer   Verurteilung wegen Hexerei zustande kam, sind Exekutionen „gewöhnlicher Krimineller“ durchaus aktenkundig   (Beispiel: Hinrichtung des Andreas Bauer in Ziegenhain 1661 [vgl. Dorothee Hoff, Seite 112f]). In der Zeit vor 1556   oblag dem Treysaer Stadtgericht die „peinliche Gerichtsbarkeit“, die auch zur Verhängung der Todesstrafe (im   „peinlichen Halsgericht“) für schwere Verbrechen befugte.    

   

Zuständig war das Gericht zeitweise auch für den Bereich (Amt) Neukirchen. Als Richtstätte ist das Gebiet in Treysa   links der Wasenberger Straße anzunehmen, dort existierte früher auch eine Straße mit der Bezeichnung „Galgenweg“.   Später ging die Strafgerichtsbarkeit auf Ziegenhain über. Ab diesem Zeitpunkt dürften auch Treysaer Delinquenten an   den Gerichtsbäumen bzw. später auf dem dortigen Galgenberg gerichtet worden sein (Quelle: „Treysa – Das Profil   einer Stadt“, Verlagsbuchhandlung K. Wilhelm Stumpf,  Seite 77, Treysa 1982).   

 


  Regionale Sagen   

Die Themen „Hexen“ und „Zauberei“ haben in vielfältiger Weise Eingang in die   Kultur unserer Heimat gefunden. Die Sagenwelt der Schwalm und ihrer   Umgebung kennt verschiedene Geschichten, die von Schadenszauber (“Die   verhexten Pferde“ [Salmshausen]), Hexen und Hexenmeistern („Werwolf und   Hexe“ [Großropperhausen]) und der Begegnung mit dem Teufel handeln (vgl.   Erika Eckhardt „Schwälmer Sagenborn“, Seite 57 f, 2. erweiterte. Auflage, Elwert   Verlag, Marburg 1982).   

   

Besonderer Schwerpunkt scheint dabei die bereits angesprochene Gegend um   Ottrau, Berfa und dem Bechtelsberg zu sein. Neben dem bekannten   Hexentanzplatz auf dem Bechtelsberg treibe sich dort auch der leibhaftige Teufel   herum. So sei der Berfaer Pfarrer nach einem Gottesdienst in das Görzhainer   Wirtshaus eingekehrt und habe dort in sündiger Weise Karten gespielt.   

 

Gegen Mitternacht bestieg er sein Pferd, um nachhause zu reiten. Doch mitten im   Wald am Bechtelsberg habe ihm eine schwarze Gestalt aufgelauert und sich als   „Fürst der Finsternis“ zu erkennen gegeben. 

Das Bekenntnis zu Christus, der   Taufe und sein schnelles Pferd habe den Pfarrer vor dem Teufel gerettet, doch als   er in Berfa aus dem Sattel stieg, traf ihn der Schlag, so dass er nie wieder auf   eine Kanzel steigen und predigen konnte (vgl. E. Eckhardt, Seite 98f).

Bild oben:  Johann Heinrich Ramberg (1829). Copyright: gemeinfrei  

 

Auch eine junge Berfaer Braut sei am Walpurgisabend (30. April) durch den Schornstein mit einem Reisigbesen zum   Hexentanz auf den Bechtelsberg geflogen. Ihr Bräutigam tat es ihr gleich und wurde als Musikant beim Tanz   angenommen. Selbst die Frau des Dorfschmiedes soll eine Hexe gewesen sein (vgl. E. Eckhardt, Seite 99f).   

   

Die Gestalt der Hexe findet sich auch in der Märchenwelt („Hänsel und Gretel“) der Gebrüder Grimm wieder. Doch obwohl diese augenscheinlich eine enge Verbindung zur Schwalm pflegten, scheint die Annahme, viele ihrer Märchenerzählungen seien einzig den Geschichten unserer Heimat entsprungen, ein deutlicher Trugschluss zu sein.    

 

Am Beispiel des Rotkäppchens, das heute als Marketing-Flaggschiff der Schwalm herhalten muss, beschreibt das   Online-Magazin „Monumente – Magazin für Denkmalkultur in Deutschland“ das Problem folgendermaßen: „Dass Rotkäppchen schon viel früher in den französischen Wäldern zuhause war - wen stört das in der Schwalm, wo   die Mädchen noch heute zu Festtagen stolz ihre Tracht mit der markanten roten Betzel auf dem Kopf tragen. Längst   heißt die Gegend offiziell Rotkäppchenland - wissenschaftliche Märchenforschung kontra Tourismusstrategie. Schon   die Brüder Grimm hatten an der Schwalm, einer reizvollen Kulturlandschaft mit traditionsbewussten Menschen, ihre   Freude.“ (Quelle: monumente-online)    

 

Wie dem auch sei: in alten Sagen, Geschichten und in der Tradition des Maifeuers lebt der Hexen- und Aberglaube   noch heute - wenigstens symbolisch - als Teil unserer Kultur fort. Selbst vor Kinderzimmern machen Figuren wie „Bibi   Blocksberg“ oder der bösen Hexe im „Kasperle-Theater“ nicht halt. Trotz dieses „salonfähigen“ Umgangs unserer Zeit   mit dem Hexenphänomen sollte nicht in Vergessenheit geraten, wieviel unsägliches Leid sich hinter seiner Geschichte verbirgt



Bilder oben: oberer Mauerkranz des Hexenturms, Schießscharte, Spuren grober Gewalt (Tür)


Bilder oben: ehemalige Fensteröffnung, untere Verliestür, Einschusslöcher verschiedener Kaliber



Bilder oben: Reste äußere Stadtmauer Nähe Hexenturm, Teil der äußeren Stadtmauer, innere Stadtmauer unterhalb Stadtkirche



Bilder oben:  Reste des ehemaligen Wehrturms an der Totenkirche, ehemaliger Wehrturm (Draufsicht Mauerrest), ehemaliges Stadttor der inneren Stadtmauer "("Am Angel")