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Historischer Bericht zur Belagerung der Festung Ziegenhain im Februar und März 1761




Die Belagerung der Festung Ziegenhain durch alliierte Truppen unter dem Kommando von General Johann Volrad  Schlüter im Februar und März 1761 stellt das “Initialereignis” des Gefechtes am Leimsfelder Teich dar. Über die Geschehnisse vor den Toren der Festung Ziegenhain berichten zeitgenössische Dokumente, hier zunächst am Beispiel eines Zeitungsartikels aus dem Frühjahr 1761:

 

Aus dem „REICHS POST REUTER“ No.69 vom 1 Mai 1761 (beide Bilder © gemeinfrei)   Hinweis: der Text der Seite 2 der historischen Veröffentlichung in moderner Schrift befindet sich unter den beiden Bilddateien.

„Französischer Bericht aus Marburg, vom 16. April. Ziegenhain ist gänzlich   verwüstet. Die wenigen Häuser, welche stehen geblieben, sind nicht im Stande,   ausgebessert zu werden, und Zweidrittel der Stadt liegen von dem erschröcklichen   Feuer der Feinde in Asche. Diese haben 1 500 Bomben hinein geworfen, und   ganzer 18 Tage hindurch mit glühenden Kugeln geschossen.  


Sie hatten auf ihren Batterien 9 Mörser und 8 Canonen. Bei diesem betrübten   Zustande können gleichwol die Einwohner die Sorgfalt nicht genug rühmen, die   der Commandant der Stadt, der Hr. Baron von Zuckmantel, für sie gehabt, in dem   er ihnen alle nur mögliche Hülfe geleistet. Der heßische General Schlüter, welcher   die Belagerung führte, hatte 7 Bataillons nebst 300 Reutern unter seinem   Commando. Die Besatzung bestand aus 300 königl. Grenadieren von Narbonne,   unter den Befehlen des Hrn. von Mouchet, und 600 Mann Infanterie des deutschen   Regiments von Nassau, an deren Spitze sich der Hr. von Leonardi befand.    
 

Die Belagerer hatten eben die 2te Parallele zum Stande gebracht, als die Tete des   Hrn. Marschalls von Broglie auf den Anhöhen dieses Platzes erschein. Während   der Belagerung that die Besatzung verschiedene Ausfälle, die allen erwünschten   Erfolg hatten. Es ist zu bewundern, daß diese Stadt einem so heftigen Feuer hat   Widerstand thun können, da sie doch klein ist, und nicht mehr, als 130 Häuser,   enthält. Die Feinde dachten das Feuer in unsere Magazine zu bringen, welches   ihnen auch bald gelungen wäre, weil dasselbe unter andern nahe bey einem   Pulvermagazine ausbrach; das aber noch glücklich bekämpft wurde.“    

 

Auffällig bei dieser Mitteilung ist die wohlwollende Berichterstattung zu Gunsten   der französischen Besatzungstruppen in der Festung Ziegenhain. In welcher politischen Verbindung der „Reichs Post Reuter“ zu den Franzosen stand, ist nicht   klar. Die Zeitung als solches stammt aus der „königlich privilegierten  Buchdruckerei“ in Altona und erschien in den Jahren 1699 bis 1789 mit einer Auflage von sehr geringen vier Exemplaren wöchentlich. Zu bemerken bleibt, dass es bei vielen zeitgenössischen Dokumenten des 18. Jahrhunderts bereits eine Tendenz zur politisch-militärischen Schönfärberei zu geben scheint.    

 

So will im o.g. Bericht Baron von Zuckmantel augenscheinlich alles in seiner Macht stehende getan haben, um die Ziegenhainer Bevölkerung vor den Kanonenkugeln der Alliierten unter General Schlüter zu schützen. Keine Erwähnung   findet hier, dass Schlüter angeblich vorhatte, die Zivilbevölkerung zu schonen, was Zuckmantel ausgeschlagen haben soll. Im sechsten Teil der „Helden = Staats = und Lebensgeschichten Des Allerdurchlauchtigsten, und Großmächtigsten Fürsten und Herrn Friedrichs des Andern“ von Christian Friedrich Hempel (Frankfurt und Leipzig 1762) wird das  Geschehen auf Seite 750 wie folgt dargestellt:    

 
„Der Herzog Ferdinand [Anm.: von Braunschweig] sendete ein Corps unter dem heßischen Generalmajor Schlüter, um   die Festung Ziegenhain einzuschliessen, er fing den 28ten Februar an die Vorstadt zu stürmen, nahm darinn zwei   Officiers und 56 Mann gefangen, zog sich aber wieder heraus, und schlug dem französischen Commandanten und   Brigadier, Franz Freyherr von Zuckmantel, zu Erhaltung der Vorstadt den Vertrag vor, aus solcher nicht auf die Vestung   zu schiessen. Da solches abgeschlagen ward, zogen sich seine Völker wieder hinein, und unerachtet die  Belagerer   eine Mühle und einige Häuser in Brand steckten:   
 

so setzten sie sich doch in die selben feste; und weil die umliegende Gegend unter Wasser gesetzt war, und man sich   der Festung folgl. durch Laufgraben nicht nähern konnte: so fing man Bomben auf die Festungswerke zu werfen an, dadurch zugleich einige Häuser in der Stadt in Brand geriethen. Ziegenhain blieb bis zum 21ten Merz eingeschlossen,  die Belagerung hatte wegen der gemachten Überschwemmung schlechten Fortgang, und die Annäherung der   französischen Armee verursachte endlich deren gänzliche Aufhebung.“   


Angeblich hat Baron von Zuckmantel also nicht nur den Vertrag zur Verschonung der Ziegenhain Vorstadt Weichaus  und den darin befindlichen Menschen  ausgeschlagen, sondern seine Leute sollen auch noch eigenhändig einige Häuser in Brand gesteckt haben, um eine erneute Erstürmung durch Schlüters Truppen zu erschweren. Das klingt zunächst skandalös, allerdings könnte diese Darstellung genauso manipuliert sein, wie es die Mitteilung im „Reichs  Post Reuter“ zu sein scheint.

 

Letztlich bleibt offen,welche Version der Wahrheit am nächsten kommt, lässt sich doch jede Geschichte durch Hinzudichten oder Unterschlagen in beliebige Richtungen formen. Was bleibt sind deutliche Indizien, dass das, was wir  heute unter Propaganda verstehen, wohl keine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist.  



Karte der Belagerung der Festung Ziegenhain in den  Monaten Februar und März 1761 Die dunklen Balken   symbolisieren die Positionen der alliierten Truppen. Die   Positionen “H” bezeichnen die Stellungen der in die Festung  schießenden Geschützbatterien.  (Quelle: Raspische Handlung Nürnberg © gemeinfrei)  

Anmerkung: die hier eingebundenen Bilddateien des „REICHS POST REUTER“ und die Abbildung der „Belagerung   Ziegenhain im  Monath Feb: et Mart: 1761.“ (ganz oben) wurden von Herrn Wilhelm May (Schwalmstadt) zur Verfügung   gestellt, dem ich dafür sehr herzlich danke.