Der Galgenberg Ziegenhain
Wie jede Festung verfügte auch Ziegenhain über einen Ort, der zur Hinrichtung der verurteilten Delinquenten diente. Während das bis heute im alten Landgrafenschloss befindlich Gefängnis angeblich noch bis in die 1960er Jahre eine Guillotine besaß, wurden die Delinquenten in früheren Zeiten oftmals aufgehängt und den zahlreich vorhandenen Raben und Krähen zum Fraß überlassen (daher auch die gelegentliche Flurbezeichnung “Rabenstein”).
Heute sieht man am Ziegenhainer Galgenberg nichts mehr, das an seine frühere Nutzung erinnert. Dennoch weisen die Flurnamen relativ genau darauf hin, wozu der Ort diente. Genauere Auskunft gibt das Geoportal Hessen, in dessen Karte man soweit hineinzoomen kann, bis die Flurkarte sichtbar wird. Die Flurnamen “Galgenberg” und “Galgenhohle” und die gegebenen Geländemerkmale erlauben es relativ einfach, sich einen Eindruck über die Örtlichkeiten zu verschaffen.
Neben dem geschichtlichen Hintergrund des Galgenbergs bietet die Stelle an ihrem südwestlichem Hang eine wunderschöne Aussicht über Ziegenhain und in Richtung Treysa. Nicht zuletzt sollten die Hingerichteten den Lebenden als Warnung dienen und an exponierter Stelle für Vorbeireisende bereits von Weitem sichtbar sein.
Koordinaten: 50° 55’ 42” N 9° 15’ 00” E Karte (Openstreetmap)
Man darf heute davon ausgehen, dass es vor dem Galgenberg eine andere und frühere Ziegenhainer Richtstätte gab. Unter dem Grafen von Ziegenhain befand sich diese bis 1450 vermutlich bei den Gerichtsbäumen, woran der dortige Flurname erinnert (vgl. Stadtgeschichtl. Arbeitskreis e.V. [Hrsg.] “Neue Forschungen zur Stadtgeschichte” Band 1, Seite 95, Schwalmstadt 1995).
Übrigens: auch Treysa hatte seinen Richtplatz: “Auf eine ehemalige Urteilsstätte weisen die Flurnamen Galgenberg (1530) und Galgenweg (1488) östlich der Wasenberger Straße dicht oberhalb der Stadt.” (Quelle: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen). Die entsprechende Stelle ist heute mit privaten Wohnhäusern bebaut. Spukerscheinungen sind bisher soweit nicht bekannt geworden - allerdings wird nicht empfohlen, in dortigen Gärten besser tiefer als unbedingt nötig zu graben.
Andererseits wurde bereits 1983 zufällig beim Anlegen eines Frühbeetes in einem privaten Garten in Talheim (Rheinland-Pfalz) ein steinzeitliches Massengrab freigelegt, dass aufgrund der gewaltsamen und massiven Zerstörungen der Knochenmaterials der 34 Opfer zunächst als Kriminalfall untersucht wurde. Was sich als historischer und archäologischer Glücksfall entpuppte, dürfte dagegen für ein vorzeitiges Ende der Gartensaison '83 und einem langanhaltenden Beigeschmack des in den Folgejahren geernteten Gartengemüses gesorgt haben... Bild oben rechts: Die Ziegenhainer “Gerichtsbäume”. Ob es sich bei dem hier abgebildeten Ort tatsächlich um die historisch korrekte Stelle handelt, ist fraglich. Liegenschaftskarten weisen darauf hin, dass die frühere Gerichtsstätte möglicherweise weiter in ost-süd-östlicher Richtung lag.
Man geht heute davon aus, dass es im Mittelalter und der Neuzeit in Deutschland viele hundert, wenn nicht tausende Hinrichtungsstätten gab, die als Rechtsbezirk durch einen Zaun, eine Mauer oder einen Wall umgrenzt waren. Selbst der Weg zur Hinrichtungsstätte war manchmal schon Teil der Strafe, denn zuweilen wurde der Delinquent hierbei mit glühenden Eisen gepeinigt oder von einem Pferd zum Richtort geschleift.
Jede Hinrichtung war aber vor allem auch ein öffentliches Spektakel, das der Unterhaltung und Abschreckung diente. Um diesen Effekt möglichst lange zu erhalten, war es aus damaliger Sicht erforderlich, die Leichen so lange es eben ging hängen zu lassen, um sie später direkt unter der Richtsstätte oder in unmittelbarer Nähe, vor allem aber in ungeweihtem Boden zu vergraben. Damit blieb den Verurteilten gleichzeitig die Auferstehung und der Zugang zum Paradies auf alle Zeit verwehrt - aus alt-christlicher Glaubenssicht also die Höchststrafe. Bild oben links: So könnte der dreischläfrige Galgen von Ziegenhain ausgesehen haben.
Verscharrte Delinquenten waren ewig Verdammte, deren Auferstehung man auch durch Beschweren des Leichnams mit großen Steinen zu verhindern suchte. Richtstätten waren also ein guter Ort, um eine Aura des Spuks und des tiefen Aberglaubens zu schaffen. Ohnehin platzierte man sie gerne an "unheimlichen" Stellen, die schon in vorgeschichtlicher Zeit der Bestattung von heidnischen Toten und ihrer Überlassung an Geister und Dämonen dienten. So lassen sich im Bereich der unmittelbar benachbarten Flur “Reuters Ruh” Spuren menschlicher Besiedlung bereits aus der Steinzeit nachweisen.