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Kurhessen und der deutsch-französische Krieg II


Ein Krieg als Sprungbrett zum Deutschen Nationalstaat...

 

 

 

Politisch betrachtet bestand im Falle eines Sieges über Frankreich die Möglichkeit, sich wertvolle Gebiete abtreten zu lassen. Zudem konnte es durch die Zusammenführung der Länder und Armeen des Norddeutschen Bundes (Preußen) mit den verbündeten Ländern südlich der Mainlinie (Königreiche Bayer, Württemberg, Baden) zu der seit langem von Preußen gewünschten Vereinigung aller beteiligter Staaten zu einem deutschen Nationalstaat kommen – selbstverständlich unter preußischer Führung!

 

Nach der französischen Kapitulation am 26. Januar 1871 und mit dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges gelang beides. Frankreich musste hohe Reparationen an Deutschland zahlen, Elsass-Lothringen wurde deutsch, und am 1. Januar 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet. Aus König Wilhelm I. von Preußen wurde am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles mit einer feierlichen Zeremonie Kaiser Wilhelm I.

 

 

...und was er für den Einzelnen bedeutete

 

Für den kleinen Mann in ärmlichen Lebensverhältnissen begann mit der Mobilmachung ein leidensreiches und ungewisses Leben, das nicht selten in schwerer Verwundung oder frühem Tod endete. Märsche, Entbehrungen, Hunger, Nässe, Kälte, grausame Verstümmelungen und massenweises Sterben prägten den Alltag. 

 

Wie in den später folgenden Weltkriegen waren die Schlachtfelder übersät mit Toten, zerfetzten Körper- und verwesenden Leichenteilen. Historiker sehen bereits im Deutsch-Französische Krieg den Vorläufer des maschinellen Tötens, wie er in den beiden nachfolgenden Weltkriegen nachweisbar ist.

 

Verletzte wurden häufig genug nicht geborgen und starben einen einsamen und verzweifelten Tod zwischen gefallenen Feinden und Kameraden. Bild: Schlacht bei Wörth 6. August 1870. Hier fielen auch Soldaten aus dem Kreis Ziegenhain. Bildseite rechts: preußische Soldaten wehren französische Kürassiere ab  © gemeinfrei

 

Mehrfach wurden Berichte bekannt, dass französische Zivilisten auf den Schlachtfeldern liegende verwundete Preußen gezielt massakrierten. Sie ließen einem tiefen und lange gepflegten Hass gegen alles Deutsche ihren freien Lauf. Die Antworten der betroffenen preußischen Armeen bestanden in gewaltsamen Reaktionen, die nach heutigem Verständnis als Kriegsverbrechen an der Zivilbevölkerung einzustufen sind.     

 

In den Kämpfen verlustreich wirkte sich insbesondere die Überlegenheit der französischen Zündnadelgewehre aus. Sie hatten auf größere Entfernungen eine bessere Präzision als die preußischen Gewehre. Dementsprechende mussten preußische Truppen deutlich dichter an den Feind herankommen, um ihm einer gezielten Waffenwirkung auszusetzen – 

ein Umstand, der viele Männer das Leben kostete.

 


Dennoch gerieten die französischen Streitkräfte schnell in die Defensive. Einerseits war das französische Eisenbahnsystem insbesondere zu Beginn des Krieges nicht in der Lage, ausreichend Truppen und Nachschub in kurzer Zeit an die Front zu verlegen. Andererseits war die Befehls- und Kommandostruktur der französischen Armee („Befehle von Paris an die Front“) die der Preußischen unterlegen. 

 

Hier wurden strategische Entscheidungen und Befehle nämlich bereits in in weitgehender Eigenverantwortlichkeit der Befehlshaber und Kommandeure getroffen und ausgeführt. Auf diese Art war es deutlich einfacher, auf neue Situationen jeglicher Art zeitnah zu reagieren.  

Nichtsdestotrotz war es auch für Preußen mehr als schwierig, seine Truppen zu versorgen. 

 

Je weiter die Fronten in das französische Landesinnere wichen, desto schwieriger wurde der Nachschub. Auch der sofort aufgenommene Bau neuer Eisenbahnverbindungen konnte den vielfachen Mangel nicht überall wirksam ausgleichen. Zusätzlich zu den bestehenden Schwierigkeiten zeichnete sich ein zunehmender Partisanenkrieg gegen die regulären preußischen Truppen ab: oft  zivil gekleidete   Franc-tireurs (Freischützen) führten Angriffe aus Hinterhalten aus und zerstörten Eisenbahnlinien des preußischen Nachschubs.  Bild: Plan der Schlacht bei Wörth © gemeinfrei

 

 

Dennoch besiegte Preußen letztlich Frankreich in einem knapp sieben Monate dauernden Krieg. Daran hatten sicher auch für Frankreich traumatische Ereignisse wie die Schlacht von Sedan oder die Belagerung von Paris ihren Anteil. Insbesondere die Geschehen bei Sedan führten nach Ende des Krieges zu der Einführung eines nationalen Feiertages, dem sogenannten Sedan-Tag, der in Deutschland bis zum Jahr 1918 am 2. September gefeiert wurde.

 

Vielerorts kam es zur Errichtung von Sedan-Denkmälern, die stets sichtbar die Überlegenheit Preußens über den Erbfeind Frankreich dokumentierte. Der dem Deutsch-Französischen Krieg zu Grunde liegende gegenseitige tiefe Hass setzte sich in den beiden folgenden Weltkriegen unvermindert fort. Erst mit dem europäischen Friedens- und Einigungsprozess wurde es möglich, eine gegenseitige und dauerhafte Partnerschaft einzugehen. 

 

Diesen Friedensprozess haben letztlich Abermillionen Menschen – vorrangig Männer - mit ihrem Leben bezahlt. So sollen alleine im Deutsch-Französischen Krieg 44.000 Deutsche und 140.000 Franzosen gefallen sein (Arand, Seite 603). Doch nicht nur die Getöteten des Deutsch-Französischen Krieges zählten zu den Verlierern der Geschichte. Dieser Waffengang hinterließ rund 250.000   Kriegsinvaliden, die mit ihren Familien einem leidensvollen Leben in Armut und Krankheit fristen mussten. An eine Erwerbsfähigkeit war häufig genug nicht mehr zu denken. 

 

 

Goldene Zeiten für das Geschäft mit dem Tod 

 

Bild: preußisches Zündnadelgewehr Dreyse (Hinterlader) Diese Waffe war zur Zeit des deutsch-französischen Krieges bereits technisch überholt © gemeinfrei


Großer Gewinner war – neben dem Deutschen Reich – insbesondere ein Industrieller, der mit dem Krieg exorbitante Geschäfte machte: Alfred Krupp. Er lieferte den preußischen Armeen u.a. ein Hinterladergeschütz, das den französischen Kanonen sowohl in der Wirkung, Reichweite als auch in der Feuerrate erheblich überlegen war. Für das Unternehmen Krupp boten die nun folgenden Jahrzehnte glänzende Geschäfte mit dem Tod. Was dabei jedoch viel zu schnell vergessen wird: letztlich tötet der Mensch, nicht die Waffe. 

 

Und zur Rechtfertigung eines solchen Handelns werden selbst in unseren Tagen alle politischen und religiösen Motive herangezogen, wenn sie nur mit einem alleinigen Anspruch auf Wahrheit und Entschlossenheit vorgebracht werden. Auch 150 Jahre nach dem Deutsch-Französischen Krieg hat sich dieses Grundprinzip nicht geändert.  

 

 

 

 

Liste der Gefallenen (A-Z) des Deutsch-Französischen Krieges, verzeichnet auf dem Kriegerdenkmal Ziegenhain: 

 

“Den Gefallenen zum Gedächtniss. Den Lebenden zur Anerkennung. Dem Künftigen Geschlechte zur Nacheiferung.”

 

 

gestorben (gest.)     verwundet (verw.)   gefallen (gef.)     vermisst (verm.)

 

Musk. (Musketier) Althaus Gg. am 10.10.1870 gest.  i. Laz. z. Meaux a. Thyp. (Typhus) 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Frielendorf

Hus. (Husar) Amthauer Heinr. am 15.10.1870 i. Laz. z. Lagui a. Thyp. gest. 2. Hess.Hus.Reg. No. 14 Frielendorf

Musk. Battenberg Johs. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth verw.   u.a. 09.08.1870 i. Laz. z. Gunstett gest. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Olberode

Musk. Berg Heinr. am 18.09.1870 gest. i. Feldlaz. z. Reims a. Thyp. 3. Hess.Inf.Reg. No. 83 Zella

Füs. (Füsilier) Beyer Gg. am 04.08.1870 i.d. Schl. b. Weissenburg gef.  Füs.Reg. v. Gersdorf Hess. No. 80 Wahlshausen

Musk. Bindhammer Christph. am 06.08.1870 i.d.Schl. b. Wörth gef. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Sebbeterode

Musk. Biron Friedr. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth gef. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Riebelsdorf

Gren. (Grenadier) Dietrich Heinr. am 23.12.1870 Gef. v. Paris gef. 1.Gd.Reg.z.F. Holzburg

Musk. Dietz Burghard am 28.10.1870 i. Laz. z. Corbeil a. Thyp. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Seigertshausen

Füs. Dietz Joh. Jost am 18.08.1870 Schl. b. St.Privat gef. Kgin.Aug.Gd.Gren.Reg. No.4 Riebelsdorf

Füs. Dietz Johs. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth gef. Füs.Reg. v. Gersdorf Hess. No. 80 Immichenhain

Unteroff. Dingel Wilh. am 06.01.1871 i. gef. B. La Fourche gef. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Moischeid

Musk. Döderding Heinr. am 10.08.1870 i. d. Schl. b. Mars la Touir gef. 8. Westph.Inf.Reg. No. 57 Ziegenhain

Musk. Eckhardt Conr. am 09.11.1870 gest. i. Laz. z. Emery 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Hauptschwenda

Musk. Eisenach Jac. i.d. Nacht v. 1.-2.09.1870 b. Metz verw. u. gest. a. 18.10.1870 Hülfslaz. z. Saarlouis 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Lingelbach

Musk. Fink Joh. Heinr. am 30.12.1870 gest. i. Laz. z. Mainz a. Thypus 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Oberjossa

Untoff. d. Res. Gerlach Alfred am 27.01.1871 gest. i. franz. Milit.Hosp. z. Alenton 2.Thür.Inf.Reg. No. 32 Ziegenhain

Artill. (Artillerist) Happel Hein. am 23.12.1870 im Laz. z. Elberfeld gest. Hess.Feld.Art.Reg. No. 11 Sebbeterode

Musk. Hebel Just. am 27.01.1871 gest. i. 19 Feldlaz. b. Epinay sur Orge b. Paris a. Thyp. 3. Hess.Inf.Reg. No. 83 Lingelbach

Musk. Hermann Friedrich Chr. Aug. am 07.02.1871 gest. i. Feldlaz. z. Amiens a. Thypus 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Neukirchen

Musk. Köhler Heinr. am 09.12.1870 i.d. Gef. B. Gravant gef. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Lanertshausen

Musk. Landefeld Peter am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth verw. u.a. 18.06.1870 Laz. z. Schwetzingen gest. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Hausen

Trainsold.  (Transportsoldat) Liebermann Joh. Gg. Herm. am 18.11.1870 i.d. Gefschft. zu Lourdes gest. Hess.Trainbat. No. 11 Schwarzenborn

Füs. Lippert Heinr. am 04.08.1870 i.d. Schl. b. Weissenburg gef. Füs.Reg. v. Gersdorf Hess. No. 80 Lingelbach

Füs. Lippert Joh. Gg. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth verm. vermutl. i. Wasser umgek. Füs.Reg. v. Gersdorf Hess. No. 80 Berfa

Gefr. Luckhardt Karl am 06.08.1870 i.d.Schl. b. Wörth gef. 3. Hess.Inf.Reg. No. 83 Ziegenhain

Musk. Malkus Johs. am 09.10.1870 b. Graveut i.d. Nacht b. ein. Detach. Untoff.post. verm. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Sachsenhausen

Hauboist (Oboenbläser) Maystädt Heinrich am 06.01.1871 gest. i. Laz. z. Mammelon a. Thyp. 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Treysa

Gefr. Merle Johs. am 15.10.1870 i. Feldlaz. z. Corbeil a. Thyp. gest. Hess.Feld.Art.Reg. No. 11 Schrecksbach

Pionier Merle Johs. am 18.11.1870 i. Feldlaz. z. Corbeil a. Thyp. gest. Hess.Pion.Bat. No. 11 Althattendorf

Gefr. Michaelis Conr. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth verm. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Wahlshausen

Musk. Ochs Friedr. am 06.08.1870 i.d.Schl. b. Wörth gef. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Sebbeterode

Füs. Rabig Johs. am 25.11.1870 gest. i. Feldlaz. a. Thyp. 2.Hess.Inf.Reg. No. 82 Neukirchen

Trainsoldat Richardt Joh. am 15.10.1870 i. Laz. zu Würzburg gest. Hess.Trainbat. No. 11 Riebelsdorf

Gefr. Ross Jac. Heinr. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth gef. Füs.Reg. v. Gersdorf Hess. No. 80 Neukirchen

Musk. Ruppert Gg. am 06.08.1870 b. Wörth a. Patr. verm. (vermisst) 3. Hess.Inf.Reg. No. 83 Lingelbach

Jäg. (Jäger) Schlick Gg. Johs. am 14.03.1871 im Res.Laz. z. Paderborn a. Thyp. gest. Jäg.Bat. No. 10 Niedergrenzebach

Gren. Schmidt Heinr. am 22.11.1870 z. Villiersbelau a. Typh. gest. Kgin.Aug.Gd.Gren.Reg. No.4 Hatterode

Hornist Schmidt Johs. am 01.09.1870 Schl. b. Sedan gef. Kais.Franz.Garde Gren.Reg. No. 2 Breitenbach a. Herzb.

Musk. Schmitt Jul. am 01.09.1870 i. d. Schl. b. Sedan gef. 2.Thür.Inf.Reg. No. 32 Ziegenhain

Musk. Schütz Christian am 14.01.1871 b. Beaumont schwer verw. Gest. das. a. 16.01.1871 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Winterscheid

Musk. Schwalm Johs. Heinr. am 01.09.1870 i.d. Schl. b. Sedan gef. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Immichenhain

Untoff. Seelig H. Johs. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth verm. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Todenhausen

Musk. Seipel Johs. am 20.12.1870 gest. i. Laz. z. Reims a.d. Ruhr 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Grossropperhausen

Musk. Stutz Hans Claus am 06.08.1870 i. d. Schl. b. Wörth gef. 3. Hess.Inf.Reg. No. 83 Zella

Gefr. Voigt Heinr. am 07.10.1870 i. Gef. B. Ladouchan gef. 1.Hess.Inf.Reg. No. 81 Olberode

Musk. Wiegand Heinr. am 03.11.1870 gest. i. Laz. z. Tournau 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Wasenberg

Gefr. Wittekind Johs. Dietr. am 06.08.1870 i.d. Schl. b. Wörth verw. u.a. 26.10.1870 i. Laz. z. Heidelberg gest. 3. Hess.Inf.Reg. von Wittich No. 83 Olberode

Jäg. Wittich Aug. am 01.09.1870 Schl. b. Sedan d.h.v. Fl…g. tödl. verw. A. 29.09.1870 Laz. Fl. gest. Jäg.Bat. No. 11 Breitenbach a.H.

Hus. Ziegler Paul am 20.08.1870 d. Laz. St. Dizier überw. i.Flg. ErKr. a. Thyp. Ob i. Laz gest. ist nicht ermitt. beim TruppTheil a. verm. gef. 1. Hess.Hus.Reg. No. 13 Grossroppershausen 

 

 



Bilder oben: Die in meinem Besitz befindlichen 248 Verlustlisten des Deutsch-Französischen Krieges erfassen alle verwundeten, getöteten und vermissten Soldaten. Auf Seite ist das 1. Hessische Füsilier Regiment No. 80 mit acht Verwundeten anlässlich der Vorpostengefechte vom 24.Juli bis 1. August 1870 bei Saarbrücken gelistet.


Bild unten: Gedenktafel in der Kirche Leimsfeld: “Gott war mit uns, ihm sei die Ehre Verzeichnis 1870 1871 für diejenigen Leimsfelder Mannschaften welche den Feldzug gegen Frankreich mitgemacht haben”






Literaturhinweise und weiterführende Links:

 

Tobias Arand: “1870/71 Die Geschichte des Deutsch-Französischen Krieges erzählt in Einzelschicksalen“, Zweite Auflage 2019, Osburg Verlag Hamburg

 

Verlustlisten der Deutschen Armee im Feldzug 1870/71 (Onlineprojekt Gefallenendenkmäler)

Welt: Modernste Waffen entscheiden die Schlacht



                                                                                                                                                                                                          Zurück